3 - "Eat your words!"

1964 regierte Sonny Liston über die Schwergewichtler, ein Ex-Sträfling, der den WM-Gürtel zwei Jahre vorher Floyd Patterson durch K.O. nach zwei Minuten und sechs Sekunden in der ersten Runde abgejagt hatte. Liston galt als unschlagbar und hatte zu diesem Zeitpunkt in seiner Laufbahn nur eine Niederlage (1954) hinnehmen müssen.

Clay tat alles, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und als der Kampf Liston gegen Clay schließlich zustande gekommen war, tat er bei jeder Gelegenheit so, als wolle er sofort auf Liston losgehen.
mp3 mp3 Liston ging als sieben-zu-eins-Favorit in den Kampf, der am 25. Februar 1964 in Miami Beach stattfand.

Doch alle vermeintlichen Experten, die auf einen leichten Sieg des Champions gesetzt hatten, sollten an diesem Abend eines besseren belehrt werden. Clay gab seinem Gegner gar nicht erst die Chance, einen seiner gefürchteten Schläge anzubringen, sondern tänzelte leichtfüßig um ihn herum und traf ihn immer wieder mit gestochenen Linken. Zu Beginn der siebten Runde weigerte sich der vom Kampf gezeichnete Liston aufzustehen. Der Sieger hingegen rannte jubelnd im Ring herum und adressierte sogleich eine Abmahnung an die ungläubigen Journalisten: "Eat your words - Nehmt das zurück!" und "Ich habe die Welt erschüttert!" waren die Worte, die der junge Cassius, der völlig außer sich war, ihnen entgegenschleuderte.

Doch die Siegesfreude war nicht lange ungetrübt. Bereits vor dem Kampf in Miami hatte es Gerüchte gegeben, dass der Shooting Star aus Louisville mit einer schwarzen Organisation namens Nation Of Islam sympathisierte, deren Führer Elijah Muhammad predigte, dass Integration der falsche Weg für die Schwarzen sei und sie stattdessen ein eigenes Territorium innerhalb der USA beanspruchen sollten. Clay wurde auch oft mit Malcolm X und anderen Führungspersönlichkeiten der Black Muslims, wie die Mitglieder der Nation genannt wurden, in der Öffentlichkeit gesehen.

Wie sich nach dem Kampf gegen Liston herausstellen sollte, hatte Clay bereits seit drei Jahren Versammlungen der Muslims besucht. Für zusätzlichen Zündstoff sorgte die Tatsache, dass Cassius Clay eine Woche nach dem Liston-Kampf seinen Namen in Muhammad Ali änderte, weil Clay der Name gewesen war, den seine Familie von ihrem Sklavenhalter bekommen hatte.
mp3 Namensänderungen waren in Muslim-Kreisen damals sehr verbreitet, doch ein Großteil der Journalisten nannte den Champion weiter bei seinem alten Namen. All diese Geschehnisse sorgten dafür, dass der "liebe Junge Cassius Clay" in den Augen vieler Amerikaner zu einem "bösen Muhammad Ali" wurde, der einer militanten Sekte angehörte.

Auch Änderungen privater Natur fanden statt. Im August des selben Jahres heiratete Ali Sonji Roi, die er zu diesem Zeitpunkt erst gut einen Monat kannte.

Am 25. Mai 1965 fand der Rückkampf zwischen Ali und Liston statt, den ersterer eindrucksvoll gewann und somit alle Zweifel an seiner Stärke zerstreute.
mp3 Neunundzwanzig Tage nach diesem Kampf und nicht einmal ein Jahr nach ihrer Heirat reichte Ali die Scheidung von Sonji ein, die am 10. Januar 1966 vollzogen wurde. Ali beklagte sich unter anderem darüber, dass seine Frau sich geweigert hatte, züchtige Kleider und kein Make-Up zu tragen, wie es sich für Moslem-Frauen gehörte.

Alis nächster Gegner war Floyd Patterson, der die "Plage der Black Muslims aus dem Boxsport entfernen wollte" und in einem zwölf Runden dauernden Gemetzel keine Chance hatte.

1966 stand Ali fünfmal siegreich im Ring, gegen George Chuvalo in Kanada, Henry Cooper und Brian London in England, gegen den Deutschen Meister Karl Mildenberger in Frankfurt und gegen Cleveland Williams in Houston.

Doch ein viel wichtigerer Kampf - außerhalb des Boxrings - deutete sich an, der Ali fast alles kosten sollte, auf was er solange hingearbeitet  hatte. Der erste Akt im Kampf Ali gegen die Armee war bereits 1964 über die Bühne gegangen, als Ali von der Musterungsbehörde in Florida als untauglich für den Militärdienst eingestuft wurde (Kategorie 1-Y), weil er den IQ-Test nicht bestanden hatte. Anfang 1966 wurde aufgrund der Bemühungen der USA in Vietnam die Tauglichkeitsgrenze gesenkt und Ali war plötzlich 1-A, also voll tauglich. Als ihm das mitgeteilt wurde und er gefragt wurde, was er denn von den Vietcong halte, antwortete Ali nur mit "Ich habe keinen Ärger mit dem Vietcong!".
mp3 Diese Aussage sollte eine der berühmtesten aus dem Munde des Muhammad Ali werden. Die Medien stürzten sich auf ihn, nannten ihn einen "draft-dodger", Drückeberger, und verlangten von ihm, seinem Vaterland zu dienen, wie es einst Joe Louis getan hatte. Doch Ali bestand auf einen Antrag auf Freistellung vom Militärdienst aufgrund seiner Religion.
mp3 Auch die Tatsache, dass Elijah Muhammads Sohn, Herbert Muhammad, anstelle der Louisville Sponsoring Group, deren Vertrag im Herbst 1966 auslief, Alis neuer Manager wurde, bescherte dem Weltmeister nicht unbedingt mehr Gunst bei den konservativen Weißen des Landes.

Trotz dieser Wirren außerhalb des Boxens, trat Ali am 6. 2. 1967 gegen die "Krake" Ernie Terrell an, einem 1,97m-Hünen, der seit fünf Jahren ungeschlagen war und den Titel der WBA innehielt, der Ali weggenommen worden war. Im Vorfeld des Kampfes hatte Terrell sich geweigert, den Champion mit seinem neuen Namen anzureden und musste sich dafür während des gesamten Kampfes von Ali anschreien lassen "Wie ist meine Name?", während dieser ihn mit einer Unmenge von Schlägen eindeckte. Viele Beobachter des Kampfes hielten Ali nach dem Kampf die Brutalität vor, mit der er seinen Gegner fünfzehn Runden lang bearbeitet hatte.

Anderthalb Monate nach Terrell siegte Ali in New York gegen Zora Folley, der sein vorerst letzter Gegner sein sollte. Am 28. April 1967 verweigerte Ali nämlich den obligatorischen Schritt in die US Army und wurde infolgedessen zunächst zu fünf Jahren Gefängnis und § 10 000 Geldbuße verurteilt. Auch seine Titel wurden ihm aberkannt und seine Boxlizenz sowie sein Pass eingezogen. Ali konnte die USA nicht verlassen und hatte wenig Hoffnung, je wieder kämpfen zu können.


Copyright 2000 by Johannes Ehrmann

Für Infos zum Autor, bitte Cursor hierhin bewegen.